Modul 2 - Gesunde Lebenswelten in Kommune und Landkreis gestalten

Salutogenese – Kommune als Setting – Bedarfsanalyse

Sie erfahren grundlegende Definitionen zum Verständnis von Gesundheit und Krankheit und warum Gesundheit zu den Querschnittsthemen im kommunalen Raum zählt. Sie erhalten das Handwerkszeug, um Prozesse zur Gesundheitsförderung und Primärprävention vor Ort in ihrer Stadt/in ihrem Landkreis auf den Weg zu bringen und das Wissen, wie diese Entwicklungsprozesse strategisch ausgerichtet und gesteuert werden.

1. Gesundheitsförderung

Gesundheitsförderung ist ein noch relativ junger Begriff, der erst in den 1970er Jahren aufkam. Über die Bedeutung und den Zweck der Gesundheitsförderung gibt es derzeit noch keine einheitliche Definition. Im "Lehrbuch der Gesundheitsförderung", das von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegeben wurde, schlagen die Autorinnen Jenni Naidoo und Jain Will vor, Gesundheitsförderung als Konzept zu verstehen. Damit ist Gesundheitsförderung:

  • "Ein Fachgebiet, das auf andere wissenschaftliche Bereiche, wie z. B. die Gesundheitswissenschaften, Psychologie, Pädagogik oder Soziologie zurückgreift, um ein bestimmtes Problem verstehen zu können;
  • Ein Prozess oder Arbeitsansatz, der versucht, den Individuen und Gruppen mehr gesundheitsrelevante Einflussmöglichkeiten zu verschaffen, indem er sie dazu befähigt, ihre Geschicke und Probleme selbst in die Hand zu nehmen und dabei ihre eigenen Erfahrungen einbezieht;
  • Ein professionelles Handlungsfeld, das die Menschen bei der Entwicklung ihrer gesundheitlichen Kompetenzen unterstützt, Bürgerbeteiligungen fördert, Partnerschaften aufbaut und politische Prozesse und Strategien zur Verbesserung der Gesundheit der Menschen koordiniert." (Quelle: BZgA (Hrsg.): Lehrbuch Gesundheitsförderung, 2. Auflage, 2010, S. 78)

Dieses Verständnis von Gesundheitsförderung macht deutlich, dass zahlreiche Überschneidungen zu anderen Fachbereichen bestehen sowie der Mensch als Individuum oder Gruppe im Mittelpunkt steht.

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2. Prävention von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter

In Deutschland weiß man spätestens seit der vom Robert Koch-Institut in den Jahren 2003 bis 2006 durchgeführten „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS) um das Problem des Übergewichts: Im Rahmen der Studie wurde festgestellt, dass bereits 15% der Kinder und Jugendlichen übergewichtig und ca. 6 % adipös sind. Kinder und Jugendliche sind bereits sehr früh einer Reihe von Faktoren ausgesetzt, die in ungünstiger Kombination die Entstehung von Übergewicht und Adipositas fördern können. Hierzu zählen gesellschaftliche, biologische und demographische Faktoren, aber auch das Erziehungsverhalten und der Lebensstil der Eltern.

Um Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, bedarf es einer nachhaltigen Verankerung und effektiven Gestaltung von Strategien zur Gesundheitsförderung.

Siehe dazu: Skript Übergewichtsprävention im Kindes- und Jugendalter

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3. Gesundheitsförderung im kommunalen Raum

Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene ist ein vielschichtiges Aufgabengebiet. Wurden bisher hauptsächlich Maßnahmen für einzelne Settings (z. B. Kindertagesstätte, Schule, Verein, Betriebe etc.) vorangetrieben, steht heute zunehmend die Kommune als Ganzes im Blick. Gesundheit wird dann als Querschnittsthema verstanden, das nicht allein die Akteure des Gesundheitswesens betrifft, sondern auch maßgeblich von anderen Bereichen beeinflusst wird.

Mit diesem Verständnis von Gesundheit wird die Forderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach "Health in all policies" verfolgt. Sie macht deutlich, dass Gesundheit im Alltag eine wichtige Rolle in unterschiedlichen Bereichen spielt und somit auch viele verschiedene Akteure in die Gesundheitsförderung einbezogen werden müssen. Die Regelungen zu Prävention und Gesundheitsförderung sind in Deutschland sehr heterogen. Das im Dezember 2014 vom Kabinett verabschiedete Präventionsgesetzt ist noch nicht in Kraft getreten. Eine Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger und der Akteure in den Bundesländern und Kommunen soll dadurch gefördert werden. 

Das Netzwerk ist und bleibt ein Instrument der Gesundheitsförderung, um ganzheitliche Maßnahmen realisieren zu können und weg von Einzelmaßnahmen zu kommen.

Siehe dazu: Skript Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene

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4. Bedarf, Bestand und Bedürfnisse ermitteln und unterscheiden

Die Analyse der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung in einer Stadt, einer Kommune, einem Quartier dient dazu, die Handlungsbereiche für die Gesundheitsförderung zu ermitteln. In einem zweiten Schritt geht es darum, sich einen Überblick über bestehende überregionale und regionale Präventionsangebote zu verschaffen. Erst mit Kombination beider Schritte lassen sich Handlungsfelder identifizieren, Angebote optimieren oder ausbauen und können Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden.

Gesundheits- und Sozialdaten einer Kommune sowie aktuelle Informationen über bestehende Präventionsangebote liefern eine solide Grundlage für die Planung von Gesundheitsprogrammen und -maßnahmen. Die Bedarfs- und Bestandsanalyse anhand dieser Daten ist demnach ein wichtiger Schritt, der den Auftrag an ein Netzwerk formulieren hilft.
Für die Analyse der Daten ist es jedoch wichtig, ein gemeinsames Verständnis von Zusammenhängen und Wirkgefügen zu haben. Besteht kein von allen Akteuren mitgetragenes Gesundheitsmodell, kommt man nicht zu gemeinsamen und tragfähigen Schlussfolgerungen.

Gesundheitsdaten werden regelmäßig von der Gesundheitsberichterstattung des Bundes und der Länder erhoben und veröffentlicht. Sie geben einen Gesamtüberblick zu den häufigsten Krankheiten, bilden aber auch themenbezogen den Ist-Zustand in der Bevölkerung ab (z. B. zum Ess- bzw. Ernährungsverhalten). Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht in regelmäßigen Abständen im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit den Gesundheitsbericht für Deutschland, der insbesondere zeitliche Entwicklungen und internationale Vergleiche abbildet. Darüber hinaus bietet das RKI Themenhefte zu gesundheitspolitisch besonders relevanten Fragestellungen. Die Themen werden handlungsorientiert dargestellt und zeigen auch Präventionspotenziale auf. Diese Daten geben grundsätzlich Aufschluss darüber, wo wichtige Handlungsbereiche bestehen. Außerdem können sie als Referenzwerte für die eigene Gesundheitsberichterstattung dienen. Zunächst kann es hilfreich sein, sich mit der jeweiligen obersten Gesundheitsbehörde im eigenen Bundesland in Verbindung zu setzen, um vorhandene Daten optimal nutzen zu können.

Kleinräumige Daten für Landkreise oder Städte stehen nicht immer routinemäßig zur Verfügung. In diesem Fall wird es nötig sein, selbst Daten für einen Gesundheitsbericht zu erheben. Hierzu bieten die kommunalen Plicht-Statistiken erste Anhaltspunkte (z. B. Geburtenrate, Sterbefälle, Anteil nichtdeutscher Bevölkerung, Anteil SGB II Leistungsempfänger). Des Weiteren bieten sich folgende Lösungsansätze für die Ermittlung kleinräumiger Daten an:

  1. Eigene Befragung
    Sollen eigenen Befragungen durchgeführt werden, sollte der partizipative Ansatz gewählt werden. Das heißt, die Bevölkerung sollte repräsentativ einbezogen werden. Darüber hinaus bieten sich Fokusgruppen mit lokalen Expertinnen und Experten (Ärztinnen/Ärzten, Hebammen, Mitarbeiter/innen von Jugend-/ Sozialämtern usw.) oder Vor-Ort-Analysen unter Einbezug von Qualitätsstandards (z. B. Schulverpflegung) an.
  2. Ausweitung der Schuleingangsuntersuchung (Freifelder, Elternbefragungen)
  3. Spezielle Datenauswertungen bei Datenhaltern in Auftrag geben (z. B. Krankenkassen, SOEP)
  4. Kooperation mit regionalen Forschungseinrichtungen (Universitäten, Fachhochschulen, Forschungsinstituten), Abschlussarbeiten, ggf. Auftragsvergabe
  5. Beratung durch die Landesämter in Anspruch nehmen (z. B. LGL in Bayern, LZG in NRW)

Bestand ermitteln

Nicht zu vergessen ist im Anschluss die Erhebung bestehender lokaler Präventionsangebote sowie der Akteure, die im ermittelten Handlungsfeld tätig sind oder Einfluss darauf nehmen. Auch nicht unmittelbar betroffene Akteure können für das Erreichen der Ziele wichtig sein.

Bedürfnisse ermitteln

Neben dem durch Zahlen belegten Bedarf sind die Bedürfnisse der Menschen, um die es gehen soll, zentral für den Erfolg der Maßnahmen. Dabei kann es sein, dass Bedarf und Bedürfnisse sich nicht unbedingt decken. Beteiligungsprozesse sind jedoch der einzige Weg, um nachhaltigen Erfolg zu schaffen. Werden die Bedürfnisse nicht berücksichtigt, wird die Maßnahme kaum einen langfristigen Erfolg aufweisen können.

Zusätzlich können Anregungen für Präventionsprojekte in unterschiedlichen Projektdatenbanken eingeholt werden, sodass auf vorhandenes Erfahrungswissen zurückgegriffen werden kann.

Siehe dazu: Skript Bedarfsanalyse anhand von Gesundheitsdaten

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5. Öffentlichkeitsarbeit in Netzwerken

Ein durchdachtes Konzept, eine sorgfältige Planung und ein strukturiertes Vorgehen sind für den Erfolg der eigenen Öffentlichkeitsarbeit grundlegend. Deshalb ist es wichtig, in den Aufgabenbeschreibungen der handelnden Mitarbeiter die notwendigen Ressourcen hierfür zu berücksichtigen. Nur so können kreative Anlässe für die Öffentlichkeitsarbeit erarbeitet und die Pressearbeit darauf abgestimmt werden.

Insbesondere in der Gesundheitsförderung geht es oft um komplexe Themen. Diese in einfache und griffige Botschaften zu verpacken, ist nicht leicht. Zudem stehen sie in der Öffentlichkeit mit vielen anderen Themen in Konkurrenz. Um sich hier Gehör zu verschaffen, ist daher besonders viel Kreativität gefragt: Wenn es gelingt, die eigenen Themen plastisch, zum selbst Erleben, Anfassen oder Mitmachen darzubieten, ist die Chance, Resonanz in der Presse zu finden, erheblich größer.

Schon bei der Maßnahmenplanung ergeben sich bestimme Anlässe für die Öffentlichkeitsarbeit, wie z. B. eine Auftaktveranstaltung, ein Tag der offenen Tür oder ein Messestand auf einem Fachtag. Bei der weiteren Planung gilt es, solche Anlässe zu identifizieren und sich kreative Gestaltungsmöglichkeiten für die jeweilige Botschaft zu überlegen. Dabei gilt: weniger ist mehr. Damit eine Botschaft bei den Adressaten haften bleibt, muss sie kurz und verständlich sein und ihre Darbietung neugierig machen. Kreativmethoden wie z. B. die Lexikonmethode helfen, um Ideen hierfür zu entwickeln.

Beispiele für Anlässe zur Öffentlichkeitsarbeit (pdf)

Insbesondere in Netzwerken ist Öffentlichkeitsarbeit oft ein stiefmütterlich behandeltes Thema. Dabei ist eine gute und regelmäßige Präsenz in der Öffentlichkeit für Netzwerke genauso wichtig, wie für andere Institutionen. Sie stärkt die Identifikation der Akteure mit dem Netzwerk sowie die Identität des Netzwerks in der Außenwahrnehmung. Eine solche Öffentlichkeitsarbeit kann jedoch nur gelingen, wenn alle Netzwerkakteure an einem Strang ziehen. Das heißt, jeder Netzwerkakteur nimmt Aktivitäten des Netzwerks ebenso in seine Kommunikation auf, macht klar, welche Aktivitäten er selbst in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk umsetzt und trägt so zur Verbreitung bei.

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Weiterbildung Kommunale Gesundheitsmoderation

Die Weiterbildung Kommunale Gesundheitsmoderation wurde 2013/14 im Rahmen von IN FORM entwickelt und erprobt. Sie richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus kommunalen Verwaltungen, die für die Gesundheitsförderung in ihrer Kommune zuständig sind und eine ressortübergreifende Strategie entwickeln möchten.

 

© Andreas Gärtner

Zum Weiterlesen

Skript Grundlagen der Gesundheitsförderung
Das Skript widmet sich dem Verständnis von Gesundheit sowie der Abgrenzung der Gesundheitsförderung gegenüber der Prävention.

Skript Prävention von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter
Das Skript vermittelt Grundlagenwissen zum Thema Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen und stellt eine Reihe von Maßnahmen und Strategien gegen Übergewicht vor.

Skript Bedarfsanalyse anhand von Gesundheitsdaten
Im ersten Skript zu Modul 2 geht es um die Bedarfs- und Bestandanalyse in einer Kommune und weitere Aspekte der Gesundheitsberichterstattung

Skript Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene
Das zweite Skript zu Modul 2 beschäftigt sich mit den Besonderheiten der Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene