Konflikte moderieren

Konflikte sind in Netzwerken geradezu vorgesehen bzw. ergeben sich aus der Natur der Sache. Dabei haben sie keinesfalls nur negative Aspekte, sondern können auch zur Stärkung des Netzwerks beitragen. Konflikte entstehen dabei auf verschiedenen Ebenen: auf Ebene der Interessen, des Vorgehens und auf der Beziehungsebene.

Kommunikation ist das A und O in Netzwerken. Gerade bei Konflikten kommt der Kommunikation eine besonders wichtige Rolle zu. Denn diese dürfen auf keinen Fall "tot geschwiegen" werden, sondern müssen aktiv angegangen werden. Dies geht nur mit Kommunikation.

1. Verschiedene Arten von Konflikten

1.1 Interessenskonflikte

Interessenskonflikte können auch in Netzwerken, die ein gemeinnütziges Ziel verfolgen entstehen. Häufig treten Konflikte aufgrund von fehlendem gemeinsamem Verständnis oder Vertrauensverlust auf:

  • Unterschiedliche Vorstellungen zu den Schwerpunktthemen des Netzwerks führen zu Konflikten
  • Netzwerkakteure sehen ihre eigenen Projekte und Angebote in Konkurrenz zu denen des Netzwerks

Oft genug wird der Satz "Das machen wir doch schon alles." zu hören sein. Deshalb ist es gerade in der Initiierungsphase eines Netzwerks so wichtig, den Bestand vor Ort zu ermitteln. Auch das gemeinsame Leitbild spielt für die spätere Umsetzungsphase eine wichtige Rolle und muss immer Teil der Kommunikation gegenüber neuen Netzwerkakteuren sein. Das Leitbild gibt dem Netzwerk seine Identität, seinen Zweck und beschreibt die Schwerpunkte der gemeinsamen Arbeit.
Schwieriger wird es, wenn gut gemeinte Angebote wenig Wirksamkeit zeigen. Durch Einbinden der Partner kann das Netzwerk versuchen, die Angebote gemeinsam weiterzuentwickeln. Dazu braucht es jedoch Fingerspitzengefühl, die Beteiligung der betreffenden Akteure sowie gegenseitiges Vertrauen.

Interessenskonflikte sind in Netzwerken keine Seltenheit. Als Lösungsstrategie findet sich in der Literatur die Methode Verhandlungen führen.

1.2 Persönliche Konflikte

  • Welcher der Netzwerkakteure darf sich am meisten im Erfolg des Netzwerks sonnen
  • Personen empfinden zu wenig Wertschätzung
  • Kränkungen durch unterschiedliche Vorstellungen zu Verbindlichkeit, Pünktlichkeit und Verhalten in der Gruppe etc.

Lösung: offene Kommunikation und evtl. Mediation

Die meisten Konflikte lassen sich auch in Netzwerken durch Gespräche und entsprechende Kommunikation lösen. Schwierig wird es dann, wenn mehrere Konflikte gleichzeitig auftreten oder unterschiedliche gut gemeinte Vorstellungen über ein zweckmäßiges Vorgehen zum Erreichen des gemeinsamen Ziels, ein Netzwerk lahm legen.
In dieser Situation müssen Entscheidungen gefunden werden, die zu einer Lösung der Konfliktlage führen.

1.3 Vorgehenskonflikte

Wenn mehrere Personen gleichberechtigt zusammenarbeiten, können immer wieder unterschiedliche Vorstellungen über das Vorgehen zur  Erreichung des gemeinsamen Ziels entstehen. Solche Konflikte können als Vorgehenskonflikte bezeichnet werden.
Vorgehenskonflikte können sein:

  • Akteure wollen lieber gleich mit Maßnahmen starten, anstatt sich mit Formalitäten zur Regelung der Zusammenarbeit im Netzwerk zu beschäftigen.
  • Andere Akteure halten die Öffentlichkeitsarbeit des Netzwerks für wichtiger als die Durchführung konkreter Maßnahmen.

Um diese Konflikte beheben zu können, müssen Entscheidungen gefunden werden, die alle nachvollziehen und mittragen können.

1.4 Konflikte auf mehreren Ebenen

Bestehen Konflikte auf mehreren Ebenen oder vermischen sich verschiedene Konfliktarten, müssen diese zunächst aufgedeckt werden. Situationen, in denen verschiedene Konflikte zusammen kommen, können sein:

  • Vertrauensverlust: Hinter Vorschlägen zum Vorgehen wird die Durchsetzung persönlicher Interessen vermutet oder die Beschädigung der eigenen Interessen befürchtet oder es besteht das Gefühl, dass sich ein Akteur damit in den Vordergrund drängen möchte
  • Berücksichtigung von Einzelinteressen führen zu Vorgehensweisen, die das Netzwerk in Schwierigkeiten bringen
  • Ein gut gemeintes Angebot wird aus Höflichkeit angenommen und führt zu völlig unzweckmäßigen Vorgehensweisen oder es passiert gar nichts
  • Zwischen einzelnen Akteuren besteht Eifersucht und Missgunst

Für die verschiedenen Arten von Konflikten braucht es mehrere Strategien und es wird nötig sein, Teillösungen für verschiedene Konfliktarten zu erarbeiten. Dabei muss allen Beteiligten klar sein, dass es sich um einen Prozess handelt und bereit sein, sich darauf einzulassen.

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2. Verhandlungen führen

Eine erfolgversprechende Methode, um Konflikte zu lösen, ist es Verhandlungen zu führen. Dabei geht es insbesondere darum, Personen und Probleme zu trennen sowie eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten zu schaffen. Ziel ist es, dass jeder nachher das Gefühl hat, besser dazustehen als vorher und nicht etwas abgegeben zu haben.

Die Moderation sorgt zunächst dafür, dass die Beteiligten sich nicht als Gegner gegenüberstehen, sondern es um ein Problem geht, das alle Beteiligten gemeinsam haben. Das Problem ist der Gegner.
Beispiel: "Wir haben gemeinsam ein Problem mit der Pünktlichkeit."

Im zweiten Schritt geht es darum, dass die Beteiligten den Zustand formulieren, den sie sich wünschen:
A: "Ich möchte mich nicht abhetzen müssen, um pünktlich da zu sein."
B: "Ich möchte nicht warten müssen, bis wir anfangen können."

Bevor nun nach Lösungen gesucht wird, kann es hilfreich sein, die Anforderungen an die Lösung zu formulieren. Um nicht in die Situation zu gelangen, um eine Lösung feilschen zu müssen, ist es sinnvoll zunächst mehrere alternative Lösungen zu erarbeiten. Die Alternativen werden dann hinsichtlich der Anforderungen sortiert und auf ihre Eignung hin geprüft.

Bleibt es schwierig eine gemeinsame Lösung zu finden, ist ein Perspektivwechsel zu empfehlen. Voraussetzung ist, dass die Beteiligten die Vorstellungen der anderen kennen. Nun sollen sie nicht formulieren, was sie haben möchten und im Gegenzug dafür abgeben würden, sondern sich überlegen, welches Angebot der andere ihnen machen könnte, das dessen Interessen wahrt, aber die eigenen ebenfalls zufrieden stellt.

Alle Beteiligten prüfen dann, ob ihnen die vorliegenden Lösungen als tragfähig erscheinen. Jeder muss seinen Vorteil erkennen können, erst dann ist eine Lösung erreicht.

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3. Entscheidungsverfahren

Um Konfliktsituationen beenden zu können, müssen Lösungen und von allen mitgetragene Entscheidungen gefunden werden. In sog. Entscheidungsverfahren werden unterschiedliche Wege zum Fällen einer Entscheidung gesucht.

Welches Entscheidungsverfahren gewählt wird, hängt von der Größe der Gruppe sowie der Bereitschaft zu Auseinandersetzungen ab. Konsensentscheidungen, die die Beteiligung aller an der Diskussion voraussetzen, können oft mehrere Sitzungen in Anspruch nehmen und bedeuten einen hohen (zeitlichen) Einsatz aller Beteiligten.

Mehrheitsentscheidungen sind uns durch die Demokratie geläufig. Sie dienen der Entscheidungsfindung bei Gruppen, bei denen faktisch kein Konsens möglich ist. Bei dieser Form der Entscheidungsfindung muss zunächst die Mehrheit, die entscheidet, bestimmt werden (2/3 oder 3/4 Mehrheit). Problematisch an dieser Methode ist, dass Einzelne die so getroffenen Entscheidungen zu unterlaufen versuchen, sich nicht mitgenommen und damit auch nicht verantwortlich für die Umsetzung des Entscheids fühlen. Diese Form der Entscheidungsfindung sollte auf keinen Fall für Grundsatzfragen im Netzwerk angewandt werden.

Expertenurteile können ebenfalls Entscheidungen herbeiführen. Schwierigkeiten kann bei dieser Methode allerdings schon die Auswahl der Expert:innen bereiten. Zudem werden auch die Expert:innen Eigeninteressen haben, die ihre Entscheidung mit prägen. Persönliche Konflikte lassen sich mit dieser Methode selbstverständlich nicht lösen. Sie kann aber sinnvoll werden, wenn eine große Auswahl an Optionen vorliegt oder die Fachkenntnis im Netzwerk nicht ausreicht, um ein gesichertes Urteil zu fällen. Diese Methode spart den Netzwerkakteuren Zeit und Energie, kann aber auch Empfehlungen hervor bringen, die dem sozialen Geflecht eines Netzwerks nicht entsprechen.

Machtentscheide sind in Netzwerken grundsätzlich nicht empfehlenswert, denn sie widersprechen der hierarchielosen Struktur von Netzwerken. In Einzelfällen können sie jedoch notwendig sein, z.B. wenn ein besonders hoher Zeitdruck besteht und alle anderen Methoden in Aufwand und Zeit dem Gewicht der Entscheidung nicht entsprechen. Wichtig bei Machtentscheiden ist die frühzeitige und klare Kommunikation der Notwendigkeit, die ausführliche Begründung der Entscheidung und die transparente Darstellung der zu erwartenden Folgen, die die Entscheidung nach sich ziehen wird. Machtentscheide sollten grundsätzlich nur im Notfall getroffen werden. Wird dieses Instrument zu oft eingesetzt, kann es auch einen Verdruss oder Gefühl der Instrumentalisierung und schließlich den Rückzug der Netzwerkakteure hervorrufen ("was soll ich da noch, wenn ich gar nichts mit entscheiden darf").

(Quelle: Teller, Longmuß (2007): Netzwerkmoderation - Netzwerke zum Erfolg führen, S. 166-174.)

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Weiterbildung Kommunale Gesundheitsmoderation

Die Weiterbildung Kommunale Gesundheitsmoderation wurde 2013/14 im Rahmen von IN FORM entwickelt und erprobt. Sie richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus kommunalen Verwaltungen, die für die Gesundheitsförderung in ihrer Kommune zuständig sind und eine ressortübergreifende Strategie entwickeln möchten.

 

© Andreas Gärtner

Literatur

Netzwerkmoderation: Netzwerke zum Erfolg führen
Leitfaden für den systematischen Netzwerkaufbau von Matthias Teller und Jörg Longmuß