Modul 1 – Netzwerke für Gesundheit erfolgreich managen
Gesundheit und Interdisziplinarität, Netzwerkaufbau, Erfolgsfaktoren
Die unterschiedlichen Einflussfaktoren auf Gesundheit bedingen, dass Gesundheitsförderung nur in Zusammenarbeit verschiedener Akteure gelingen kann. Sie lernen, wie Sie erfolgreich interdisziplinäre Netzwerke managen und reflektieren Ihr individuelles Netzwerk(-vorhaben).
1. Der Begriff "Gesundheit"
Gesundheit ist ein Begriff, der sehr unterschiedlich gedeutet wird. Jeder hat eine persönliche Sichtweise von Gesundheit. Je nachdem aus welcher Fachrichtung (z. B. medizinisch, soziologisch oder psychologisch) betrachtet, erhält Gesundheit eine andere Bedeutung.
Beispielhaft kann Gesundheit unter folgenden Aspekten betrachtet werden:
- Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit
- Gesundheit als körperliche Energie und Stärke
- Gesundheit als funktionale Leistungsfähigkeit
- Gesundheit als psychisches und körperliches Wohlbefinden
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte Gesundheit im Jahr 1946 wie folgt:
„Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“.
Diese umfassende Definition der WHO zeigt, dass Gesundheit weder ein rein medizinisch, noch ein rein psychologisch, noch ein rein individuell beeinflussbares Gut ist. Entsprechend vielfältig sind auch die Einflussfaktoren auf Gesundheit.
In den 1970er Jahren prägte Aaron Antonovsky das Modell der Salutogenese. Antonovsky war Soziologe und Medizinsoziologe und erforschte den Zusammenhang von Stressfaktoren und Gesundheit. Sein Modell der Salutogenese stellte die Stärkung vorhandener Gesundheitsressourcen in den Vordergrund und nicht mehr – wie die heute noch dominierende medizinische Sicht – die Vermeidung von Krankheit bzw. die Wiederherstellung von Gesundheit im funktionalen Sinne. In seinen Forschungen ging Antonovsky folgenden Fragestellungen nach:
- Warum bleiben Menschen – trotz vieler potenziell gesundheitsgefährdender Einflüsse gesund?
- Wie schaffen sie es, sich von Erkrankungen wieder zu erholen?
- Was ist das Besondere an Menschen, die trotz extremer Belastungen nicht krank werden?
Das Modell der Salutogenese bildet die Grundlage für die Gesundheitsförderung. Zusammenfassend steht das Modell von Antonovsky für folgende drei Aspekte:
- Das Salutogenesemodell ist ein Modell zur Gesunderhaltung und betrachtet den Menschen mit seiner Umwelt in seiner Ganzheitlichkeit.
- Nicht nur die auf den Menschen einwirkenden Stressoren finden Beachtung, sondern auch die möglichen positiven Schutzfaktoren.
- Das Modell berücksichtigt medizinische und sozialwissenschaftliche Parameter.
Insbesondere in interdisziplinären Netzwerken ist es grundlegend wichtig, zu Beginn ein gemeinsames Verständnis von Gesundheit zu entwickeln. Denn nur so können zielgerichtete gesundheitsförderliche Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.
2. Einflussfaktoren auf Gesundheit
Gesundheit ist ein individuelles, aber auch ein gesellschaftliches Gut. Sie ist die Grundlage für ein erfülltes, selbstbestimmtes Leben. Eine Gesellschaft, die Gesundheit nicht fördert, gefährdet ihre eigene Zukunft.
Gesundheit als Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens verstanden, wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Die Wissenschaftler Dahlgren und Whitehaed (1991) haben diese Faktoren in vier Ebenen zusammengefasst:
die persönlichen Verhaltens- und Lebensweisen (erste Ebene)
die Unterstützung und Beeinflussung durch das soziale Umfeld (zweite Ebene)
die Lebens- und Arbeitsbedingungen (dritte Ebene)
die wirtschaftlichen, kulturellen und physischen Umweltbedingungen (vierte Ebene)
Nicht alle Ebenen können wir selbst beeinflussen. Klar wird jedoch, dass Gesundheitsförderung sich nicht auf eine Ebene beschränken kann, sondern eine Verzahnung dieser Ebenen anstreben muss. Klar wird damit auch, dass Gesundheitsförderung nur durch die Zusammenarbeit verschiedener Akteure aus unterschiedlichen Berufs- und Einflussfeldern gelingen kann.
3. Netzwerke
Das zuvor beschriebene umfassende Verständnis von Gesundheit zugrunde gelegt, offenbart sich die Komplexität der Gesundheitsförderung. Ihr ist es immanent, dass sie zahlreiche Faktoren parallel berücksichtigen muss und nie einen Faktor allein im positiven wie im negativen Sinne für den Gesundheitszustand einer Gruppe oder einer Person verantwortlich machen kann. Es wird klar, dass nicht allein das Gesundheitswesen, sondern zahlreiche weitere Kompetenzen und Akteure und Akteurinnen für die Förderung der Gesundheit benötigt werden. Für diese umfangreiche Zusammenarbeit gibt es keine Strukturen. Gesundheitsförderung ist gesetzlich insbesondere die Aufgabe der Sozialversicherungsträger und freiwillig des öffentlichen Gesundheitswesens. Fflächendeckende Vernetzungsstrukturen aber, die der komplexen Aufgabe gerecht werden, gibt es nicht.
Netzwerke sind in der Gesundheitsförderung Mittel zum Zweck. Sie bieten die Möglichkeit, dass völlig unterschiedliche Organisationen und Ressorts zusammenarbeiten können, ohne dass aufwendig eine neue Organisation dafür gegründet werden muss. Sie sind die Antwort auf den Mangel an Struktur zur Lösung eines Problems.
Der Begriff Netzwerk wird vielfältig verwendet. Um deutlich zu machen, worum es sich bei einem interdisziplinären Netzwerk der Gesundheitsförderung handelt, werden folgende Begriffe voneinander abgegrenzt.
- Networking: Kontakt sporadisch oder regelmäßig pflegen
- Kooperation: vertraglich geregelte Zusammenarbeit
- Netzwerk: freiwilliger Zusammenschluss mehrerer rechtlich und wirtschaftlich unabhängiger Institutionen und/oder Individuen
Ein Netzwerk ist ein zielgerichteter Zusammenschluss mehrerer unabhängiger Akteure für einen längeren Zeitraum. Ziel ist es, durch Abstimmung der komplementären Fähigkeiten der am Netzwerk Beteiligten, Synergieeffekte zu erreichen, die den Nutzen aller Beteiligten mehren. Netzwerke beruhen auf Freiwilligkeit und Gleichberechtigung.
Damit Netzwerkarbeit gelingen kann, braucht es Rahmenbedingungen, die eine professionelle Zusammenarbeit ermöglichen. Darüber hinaus gibt es Erfolgsfaktoren für die Netzwerkarbeit, die durch eine professionelle Koordination begünstigt werden. Diese Erfolgskriterien beziehen sowohl die Sach- als auch die Beziehungsebene ein. Entscheidend ist jedoch die Beziehungsebene. Gelingt es, Vertrauen zwischen den Akteurinnen und Akteuren zu schaffen, ihre Gleichberechtigung zu wahren, ihr individuelles Nutzenempfinden an der Netzwerkarbeit zu erfüllen sowie die Identität des Netzwerks nach innen als auch nach außen hin zu stärken, wird das Netzwerk erfolgreich sein. Dann können sich die Potenziale der Netzwerkarbeit entfalten und innovative, ganzheitliche Maßnahmen realisiert werden.
4. Aufgaben der Kommunalen Gesundheitsmoderator:innen
Damit ein Netzwerk erfolgreich und zielgerichtet arbeiten kann, braucht es jemanden, der koordinierend und moderierend die Zusammenarbeit anleitet. Dies ist die Aufgabe Kommunaler Gesundheitsmoderatorinnen und -moderatoren. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, benötigt sie oder er verschiedene Kompetenzen. Im Wesentlichen geht es darum, ein Team zu bilden, unterschiedliche Interessen zusammenzubringen, auszugleichen und auf das gemeinsame Ziel auszurichten, zukünftige Entwicklungschancen einzubringen und immer wieder unterschiedliche Sichtweisen und Ansätze zusammenzubringen. Kommunale Gesundheitsmoderation bedeuet, Aufgaben auf der Sachebene zu erfüllen, aber besonderes Augenmerk auf die Beziehungsebene zu behalten. Kommunikation, Moderation und Konfliktfähigkeit sind daher zentrale Kompetenzen einer Kommunalen Gesundheitsmoderatorin oder eines Kommunalen Gesundheitsmoderators.
5. Schritte im Netzwerkprozess
Durch die freiwillige und gleichberechtigte Zusammenarbeit in Netzwerken ist es grundlegend, dass man zu Beginn (und immer wieder im Prozess) ein gemeinsames Verständnis findet. Dieses Verständnis bezieht sich sowohl auf Inhalte und Begriffe als auch auf die Art der Zusammenarbeit, das Selbstverständnis als Netzwerk und natürlich die gemeinsamen Ziele.
Im Falle der Gesundheitsförderung beginnt dieses gemeinsame Verständnis bereits mit der Klärung, was Gesundheit für die einzelnen Netzwerkakteure bedeutet. Auch Begrifflichkeiten wie ausreichend Bewegung und ausgewogene Ernährung sollten definiert werden. Was für den einen ausreichend Bewegung ist, kann für den anderen bereits zu viel sein. Diese inhaltlichen Diskussionen sind wichtig und sollten daher gut vorbereitet und zielgerichtet moderiert sein. Darüber hinaus muss über die Art der Zusammenarbeit geredet werden, müssen Regeln hierfür vereinbart und Aufgaben verteilt werden. Dieser Prozess ist für die Identitätsfindung für die Zusammenarbeit, für die spätere Transparenz sowie die Gleichberechtigung aller Akteure unerlässlich. Diese Prozesse sollten gut dokumentiert und für alle nachvollziehbar aufbereitet werden. Nur so können Erfolgs- und Störfaktoren identifiziert und bei Bedarf geändert werden.
Die Schritte zum Netzwerkaufbau sind im Skript Netzwerkmanagement beschrieben.
Um den eigenen Netzwerkprozess besser beurteilen zu können, haben wir für die Weiterbildung einen Leitfaden entwickelt. Die dort formulierten Sätze, helfen konkrete Schritte zu identifizieren und den eigenen Prozessstand festzustellen. Anschließend fällt es leichter, sich Ziele für den nächsten Schritt zu setzen.
6. Ziele richtig formulieren
Sich Ziele zu setzen ist eine tägliche Aufgabe, die wir teils bewusst, teils unbewusst erfüllen. Ziele richtig zu formulieren, ist jedoch keine einfache Aufgabe. Ein Ziel ist kein vager Wunsch. Ein Ziel ist konkret, eindeutig, präzise und positiv formuliert.
Ein Ziel erfüllt folgende Kriterien:
- spezifisch
- messbar
- attraktiv
- realistisch
- terminiert
Mit diesen Kriterien lassen sich Ziele formulieren, deren Erreichen auch überprüft werden kann. In der Regel braucht es mehrere Teilziele, um ein großes Ziel zu erreichen. Teilziele sind nicht nur sinnvoll, um eventuell korrigierend in einen Prozess eingreifen zu können, sondern auch um kleinere Erfolge bereits kurzfristig sichtbar machen zu können.
7. Grundlagen der Kommunikation
Kommunikation findet immer statt. Auch wenn wir nicht reden, kommunizieren wir durch Gestik, Mimik oder Körperhaltung. Sobald zwei Individuen sich wahrnehmen, kommunizieren sie bewusst oder unbewusst miteinander. Die Transaktionsanalyse des kanadischen Psychiaters Eric Berne (1910-1970) hilft, Kommunikation besser zu verstehen. Dies ist insbesondere beim Aufbau von und bei der Arbeit in Netzwerken ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Die Transaktionsanalyse wird im Skript Netzwerkmanagement erklärt.