Gesundheitsberichterstattung
Die Analyse der Ausgangssituation bezüglich der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung in einer Kommune, einer Stadt oder einem Quartier ist ein wichtiger Schritt im Rahmen der Planung von Gesundheitsförderungsprojekten und -programmen. Da die Ressourcen oft knapp sind, sollte ein sinnvoller und erfolgversprechender Einsatz selbstverständlich sein. Dabei gilt es, typische „Aktivismus-Fallen“ zu vermeiden, wie z. B. immer wieder neue Projekte ohne ausreichende theoretische und empirische Grundlage aufzulegen; vorhandene Ressourcen brach liegen zu lassen; das Rad zum wiederholten Male neu zu erfinden oder sich unüberlegt auf Zielgruppen oder Handlungsfelder zu fokussieren, die wenig Bedarf haben oder bereits durch andere Akteure angesprochen werden.
1. Ausgangslage analysieren
Um die Ausgangslage der Bevölkerungsgesundheit in einer Kommune analysieren zu können, braucht man Informationen über aktuelle kommunale Gesundheits- und Sozialdaten und über die überregionale und regionale Präventionslandschaft („Daten für Taten“). Zusätzlich braucht man aber auch eine klare Vorstellung von den Zusammenhängen und Wirkgefügen. Ohne ein schlüssiges Gesundheitsmodell lassen sich Daten nicht aussagekräftig interpretieren und analysieren. Für die Phase der Diskussion über ein gemeinsames Grundverständnis sollte man sich in einem Netzwerk genügend Zeit lassen. Denn ohne ein gutes, transparentes und von allen Netzwerkmitgliedern mitgetragenes Gesundheitsmodell kommt man nicht zu gemeinsamen und tragfähigen Schlussfolgerungen im Hinblick auf das, was zu tun ist. Aus diffusen oder falschen Annahmen darüber, wie Gesundheit entsteht und in einer Kommune gefördert werden kann, können keine wirksamen Strategien entwickelt werden.
Die Identifikation von Risiko- und Schutzfaktoren und deren Wirkgefüge im Hinblick auf die Gesundheitsentwicklung wird niemals vollständig abgeschlossen sein, deshalb lohnt es sich hier am Ball zu bleiben, um fundierte neue Forschungserkenntnisse ggf. für Kurskorrekturen nutzen zu können. Wenn eine gemeinsame „Gesundheitsphilosophie“ erarbeitet wurde, kann die Datensammlung und -analyse beginnen.
2. Daten sammeln – Bedarf und Bestand ermitteln
Die Bedarfs- und Bestandsermittlung sollte auf mehreren Ebenen geschehen. Zunächst ist es hilfreich, einen Eindruck von der gesundheitlichen Gesamtsituation in einer Kommune zu gewinnen, d. h. gesundheitsbezogene Basis- (bzw. Kern)indikatoren in ihrem zeitlichen Verlauf und im Vergleich mit Referenzwerten (Landes- oder Bundesdurchschnitt) zu betrachten sowie weitere gesundheitsrelevante Daten in Form von Sozial- und Umweltindikatoren, aber auch im Hinblick auf bereits vorhandene Angebote und Ressourcen zu sammeln und zu sichten. Zum Teil kann dabei auf kommunale Gesundheits-, Umwelt-, Sozial- oder Armutsberichte zurückgegriffen werden.
Nachdem das Netzwerk prioritäre Handlungsfelder und Zielgruppen identifiziert hat, erfolgt eine weitere, daran angepasste, spezifische Bedarfs- und Bestandsermittlung. "Die Analyse der spezifischen Gegebenheiten im Quartier ist eine notwendige Grundlage für die Entwicklung qualitätsgerichteter Maßnahmen zur stadtteilbezogenen Gesundheitsförderung" (Reimann et al., 2010, S. 49).
Für die Bedarfsanalyse auf kommunaler Ebene bzw. im Quartier eignen sich z. B. die kreisbezogenen Daten der Gesundheitsberichterstattung der Länder.
Zu den Indikatoren, die die gesundheitsbezogene Gesamtsituation gut abbilden, gehören z. B.:
Lebenserwartung, Säuglingssterblichkeit, Lebendgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 2500g, vorzeitige Sterblichkeit (bis zum Alter von 64 Jahren), verlorene Lebensjahre (PYLL) nach Todesursachen, Anteil Übergewichtiger > 15 Jahre in Prozent (Mikrozensus) und Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung.
Zu den Indikatoren, die die soziale Lage in einer Kommune gut abbilden, gehören z. B.: Arbeitslosenquote, Ausländeranteil, Wanderungssaldo, Haushaltsnettoeinkommen, Schulabschlüsse, Bildungsabschlüsse usw. Diese Daten werden zunehmend auch dazu herangezogen, um Sozialindizes oder Cluster (Regionstypen) zu bilden, die wiederum zur Erklärung gesundheitlicher Disparitäten zwischen verschiedenen Regionen oder Gebieten (Kreisen, Gemeinden, Quartieren …) genutzt werden können.
(Autorin Abschnitt 1 und 2: Brigitte Borrmann, Bielefeld)
3. Überlegungen zur idealen kommunalen Gesundheitsberichterstattung
Eine ideale kommunale Gesundheitsberichterstattung (GBE) sollte zunächst folgende Kriterien aufweisen:
- verständlich
- kurz und knackig
- visualisiert
- aktuell
- gesundheitspolitische Relevanz
- Beachtung wissenschaftlicher Standards
- Beachtung von Datenschutz-Richtlinien
- Schlussfolgerungen
Häufig sind Gesundheitsberichte sehr ausführlich und ergießen sich in Fachausdrücken. Dabei bleiben die Verständlichkeit für Außenstehende und die Aktualität auf der Strecke, da sehr viel Zeit für die Erstellung aufgewendet wird. Effektiver ist eine ein- bis zweijährige, fokussierte GBE, die möglichst einfach die gesundheitsrelevanten Zusammenhänge darstellt. Einleuchtende Visualisierungen helfen die Zusammenhänge auch Fachfremden schnell verständlich zu machen. In jedem Bericht sollten Schlussfolgerungen gezogen werden, die als Grundlage für die Entwicklung gesundheitsförderlicher Strategien herangezogen werden können.
Darüber hinaus sollte die ideale kommunale GBE folgende Kriterien erfüllen:
- kleinräumige Daten
- vergleichbare Daten (z. B. auch in Bezug auf die Erhebungsinstrumente)
- kapitelweise Zusammenfassungen
Nicht immer werden kleinräumige Daten zur Verfügung stehen. In solchen Fällen kann auch auf bundesweite Daten zurückgegriffen werden. Auch hier gilt es, mit den eigenen Ressourcen hauszuhalten und nicht sofort eigene Daten zu erheben. Denn Zusammenhänge, die bereits bewiesen wurden, müssen auf kommunaler Ebene nicht noch einmal nachgewiesen werden (z. B. Alleinerziehende als Risikogruppe der Gesundheitsförderung). Wenn eigene Daten erhoben werden müssen, bieten sich zunächst Fokusgruppen oder Expertenanhörungen mit lokalen Expertinnen und Experten (Ärztinnen/Ärzten, Hebammen, Mitarbeitende von Jugend-/ Sozialämtern usw.) an. Eine kapitelweise Zusammenfassung dient dazu, den Nutzern der Gesundheitsberichte, einen schnellen Überblick über die Lage zu ermöglichen.